Über den Kauf unserer neuen Wanderer haben wir bereits ausführlich in unserem letzten Artikel berichtet. Heute möchten wir euch mitnehmen auf das Refit, das wir in den letzten Wochen in Südfrankreich beim Port Navy Service durchgeführt haben. Nachdem der Kauf besiegelt war, bleibt Chirstoph zunächst noch eine Woche beim Boot und erledigt erste Arbeiten und setzt ein Dokument auf, dass die folgenden Wochen in mehrere Kernbereiche unterteilt: Themen, die unbedingt vorm Zuwasserlassen erledigt werden müssen; Dinge, die auch noch im Wasser erledigt werden können; Projekte, die bis zum kommenden Winter warten können; was muss neu angeschafft werden; was kann vom Boot entfernt werden und so weiter. Anschließend fährt er wieder einmal die 1800 km von Südfrankreich nach Portugal zu unserem Landratten-Wohnsitz.
Es geht los
Anfang April ist es dann schließlich soweit: In Tavira laden wir unseren Camper voll bis unters Dach und Christoph fährt erneut zum Boot, während Elvira und Eric eine gute Woche später per Flugzeug nachkommen werden. Insbesondere das Erneuern des Unterwasserschiffs mit den schmutzigen Schleif- und Malerarbeiten soll erledigt sein bevor die beiden mit auf dem Boot einziehen.
Am Boot angekommen herrscht bald eine vertraute Atmosphäre. Schnell werden Kontakte geknüpft. Bootsnachbar Dieter und seine Frau kommen aus Mannheim und haben gerade eine vierjährige große Atlantikrunde hinter sich. Ein äußerst netter Kontakt, der das Trockendock kurzerhand in einen Grillplatz verwandelt. Und dann sind da noch John und Akua, ein Pärchen aus Kanada, die seit 22 Jahren mit ihrem Boot die Welt bereisen. Es entwickelt sich schnell ein herzlicher Kontakt, der noch lange anhalten wird.
Doch besonders viel Zeit für Geselligkeit nimmt Christoph sich nicht. Grundierung, Farbe, Anker, Kette, Rettungsinsel und vieles mehr liegen bereits zur Abholung bei verschiedenen örtlichen Shops bereit. Und so beginnt bereits am Tag nach Christophs Ankunft die lästige Schleifarbeit am Unterwasserschiff. Es geht nicht darum das alte Antifouling komplett abzuschleifen, sondern lediglich die Oberfläche aufzurauen und lose Stellen zu entfernen. An einem Tag ist das erledigt. Drei Tage sind geplant: ein Tag schleifen, ein Tag für die Grundierung und einer für die eigentliche Antifouling-Farbe. Das Wetter spielt mit. Naja, zumindest halbwegs. Es gibt viel Sonne, aber der Mistral sorgt für sturmartigen Wind auf dem gesamten Gelände. Der nächste Tag verläuft nicht ganz so wie geplant. Als Christoph wieder einmal den Farbroller in die Grundierung tunkt, stößt er sich beim Aufrichten den Kopf so stark am Propeller, dass eine Platzwunde entsteht, die eine Blaulichtfahrt ins Krankenhaus nach sich zieht. Das nächste Krankenhaus ist 40 Minuten entfernt und es kostet wertvolle Zeit für die Grundierung vom Unterwasserschiff. Es nervt 😰.
Und dennoch - nach mehrstündiger Unterbrechung - wird die Grundierung schließlich noch mit den letzten Sonnenstrahlen des Tages fertig. Mit Schutzhelm ausgestattet verläuft das Auftragen des Antifoulings an Tag drei dann ohne nennenswerte Zwischenfälle.
Allerdings tut sich eine weitere Baustelle auf, die wir eigentlich erst im nächsten Winter mit unserem Freund Peer in Angriff nehmen wollten. Obwohl uns die Gutachterin versicherte, dass wir die Seeventile auch noch bis zum nächsten Winter aufschieben könnten, treiben sie Christoph zunehmend Sorgenfalten auf die Stirn. Bei einem Ventil ist die Kugel bereits halb wegkorrodiert, eines öffnet gar nicht mehr und überhaupt ist es irgendwie Quatsch das Thema nicht jetzt anzugehen, wo das Boot doch gerade auf dem Trockenen steht. Und so wächst unsere ohnehin schon beachtliche Projektliste um ein weiteres Projekt, doch dazu später mehr.
Rocna 33kg Anker und 80 Meter Kette
Der Voreigner hatte einen 16kg Delta Anker als Hauptanker. Für 10 Tonnen Bootsgewicht ist uns das deutlich zu wenig. Zudem ist die Kette nach 6 Jahren bereits so stark verrostet, dass sie nicht mehr zu gebrauchen ist.
Christoph vermisst den Platz am Bug wieder und wieder und kommt zu der Erkenntnis, dass ein 33 kg Rocna Anker gerade noch so Platz finden sollte. Deshalb entscheiden wir uns letzlich für diesen hochgelobten Anker aus Neuseeland, der uns ruhige Nächte vor Anker bescheren soll. Bei der Kette entscheiden wir uns wie der Voreigner für 80 Meter Kette aus feuerverzinktem Stahl. Ehrlich gesagt waren wir auf unserer Futura mit einer Edelstahlkette ziemlich verwöhnt, denn diese läuft geschmeidiger und neigt nicht so zur Türmchenbildung im Ankerkasten. Eine Duplex Edelstahlkette ist allerdings kaum bezahlbar und so brauchen wir hier nicht lange überlegen. Aufpassen muss man bei 10mm Ankerketten jedoch auf den DIN oder ISO Standard, denn diese beiden Standards unterscheiden sich geringfügig im Maß der Kettenglieder. Die Kennung auf der Nuss der Ankerwinde gibt Aufschluss und wie vermutet kommt für uns nur eine 10mm Kette nach ISO in Frage.
Anker und Kette werden uns bis zum Boot geliefert. Bevor jedoch alles montiert werden kann, muss der Anker einmal provisorisch per Seil hochgezogen werden, um sicherzustellen, dass er auch tatsächlich Platz findet. Einen Anker manuell im Wasser an Bord zu ziehen kann bereits eine ziemliche Herausforderung sein, doch an Land ohne die Physik des Wassers als Hilfe ist es umso schwerer. Doch der Aufwand lohnt sich, denn es wird klar: Der Anker passt.
Der Voreigner hatte bereits einen hochwertigen Mantuswirbel verbaut, den wir nach einer Grundreinigung auch weiter verwenden können. John spendiert eine Runde Sicherungsdraht, der bei den örtlichen Schiffsversorgern nicht zu bekommen ist, und so dauert es nicht lange bis Anker und Kette ordentlich über den Mantuswirbel miteinander verbunden sind. Im nächsten Schritt muss die Kette noch mit der Ankertrosse verbunden werden, die nach den 80 Metern Kette noch als weitere Reserve zur Verfügung stehen werden. Damit die Trosse auch noch durch die Ankerwinde laufen kann, muss sie mit der Kette verflochten werden. Ehrlich gesagt hoffen wir, dass wir niemals darauf angewiesen sein werden mehr als unsere 80 Meter Ketten auszubringen.
Zu guter Letzt markieren wir die Kette noch alle 10 Meter mit farbigen Kettenmarkern in unterschiedlichen Farben und malen eine Legende in den Ankerkasten.
Elvira und Eric kommen an Bord
Am 12. April ist es schließlich soweit und Christoph holt Elvira und Eric in Marseille vom Flughafen ab. Sie sind voller Neugier, denn im Gegensatz zu Christoph, der seit Januar bereits dreimal beim Boot war, haben sie das Boot bisher noch nie gesehen. Die Freude ist groß. Wir fühlen beide, dass dieses Boot genau dem entspricht wonach wir gesucht haben. Über die Eigenschaften und unsere Kriterien hatten wir ja bereits im letzten Artikel ausführlich berichtet.
Elvira stürtzt sich in das Organisieren und Verräumen der unzähligen Dinge, die wir mitgebracht haben oder vom Voreigner auf dem Boot verblieben sind. Zudem übernimmt sie das Anbringen des Relingsnetzes - eine Aufgabe, die Christoph zuvor frustriert abgebrochen hat. Der starke Mistral macht das Arbeiten am Netz zu einer echten Herausforderung und die Arbeiten am Netz begleiten Elvira eine ganze Weile und hinterlassen Spuren an ihren Händen. Doch das Ergebnis kann sich sehen lassen und gibt uns ein sichereres Gefühl mit Kindern an Bord.
Wir haben uns dieses Mal für ein geknotetes Netz entschieden und probieren die Halterungen von FEND FIX zur Befestigung der Fender. Ein Relingsnetz erschwert das Einbinden der Fender und unser altes System mit Karabinern hatte uns ebenfalls nicht überzeugt. Die Lösung von FEND FIX ist zwar recht teuer, aber dafür sehr unkompliziert und schnell zu bedienen.
Es geht den Seeventilen an den Kragen
Immer wieder denkt Christoph über die Seeventile nach und tauscht sich mit Bootsnachbarn aus. Relativ schnell ist klar, dass wir die Ventile nicht bis zum nächsten Winter aufschieben möchten. Wir möchten ruhig schlafen und nicht ständig von Ängsten geplagt werden, dass ein Ventil abbrechen könnte oder ähnliches. Zudem ist es so, dass wir das Boot in den nächsten 2 Jahren im Wasser lassen können, wenn wir die Ventile jetzt tauschen, was uns wiederum später mehr Flexibilität ermöglicht.
Nachdem die Entscheidung zum Tausch gefallen ist, tun sich viele weitere Fragen auf: Aus welchem Material sollen die Ventile sein? Tauschen wir die Ventile ganz alleine oder lassen wir uns helfen? Klar ist, dass wir die Arbeit nicht einfach an eine Firma abgeben möchten, die alles im Alleingang erledigt. Zum einen möchten wir überwachen, dass nicht gepfuscht wird, und zum anderen haben wir auch den Anspruch perspektivisch alle Arbeiten am Boot selbst erledigen zu können. Im Grunde ist die Arbeit relativ simpel (Spoiler: Das nächste Mal machen wir es wirklich komplett selber!), aber es sind die vielen kleinen Detailfragen, die uns davon abschrecken, die Arbeiten ganz ohne fremde Hilfe zu erledigen. Wir finden schließlich einen lokalen Anbieter der bereit ist, die Arbeit mit uns zusammen und auf Stundenbasis zu erledigen. Noch dazu verarbeitet er routinemäßig die Kunststoffprodukte von TruDesign, die auch wir favorisieren. Im Gegensatz zu Borddurchlässen und Seeventilen aus Metall korrodieren die Produkte aus Kundststoff nicht im Seewasser und sind dadurch entsprechend langlebiger und sicherer. Zudem bringt uns der Fachmann auf eine Idee, die uns zunehmend gut gefällt: Wir reduzieren von bisher zehn auf künftig nur noch fünf Seeventile unterhalb der Wasserlinie. Drei Borddurchlässe befinden sich im zweiten Badezimmer im Vorschiff. Bereits der Voreigner hatte diese Kabine lediglich als Lager benutzt und auch wir sehen wenig Sinn darin wertvollen Stauraum für ein zweites WC zu opfern. Wir entscheiden uns kurzerhand, diese Borddurchlässe nicht zu erneuern, sondern stattdessen die Löcher gänzlich zu verschließen.
In der Küche ergibt sich ebenfalls Einsparpotential. Zwei Waschbecken unmittelbar nebeneinander sowie die Waschmaschine besitzen jeweils einen eigenen Borddurchlass. Wir finden es sinnvoller die Abwasserschläuche im Boot oberhalb der Wasserlinie zu verbinden und über einen gemeinsamen Borddurchlass nach außen zu leiten. Weniger Borddurchlässe bedeuten grundsätzlich erstmal weniger potentielles Risiko.
Christoph beginnt kurzerhand die alten Borddurchlässe zu entfernen. Dafür wird der Flansch am Rumpf sorgsam mit einer Flex abgeschliffen, bis er sich vom Rohr löst. Anschließend kann man unter hohem Kraftaufwand durch Ziehen von innen und Drücken von außen den alten Borddurchlass mitsamt Ventil entfernen bis schließlich nur noch ein Loch im Rumpf zurückbleibt. Dieses wird Wiederrum sorgsam von Rückständen alter Dichtmasse befreit.
Eines wird uns zunehmend bewusst und es deckt sich mit all dem, was uns von befreundeten Langfahrern und Gutachtern bereits mehrfach gesagt wurde: Als Eigner, der die Arbeiten anhand eines guten Tutorials durchführt, macht man einen wesentlich gewissenhafteren Job als die Fachbetriebe, bei denen alles auf Kostenreduktion und Arbeitsgeschwindigkeit optimiert ist. Und so ärgern wir uns bald ein wenig darüber, dass wir die Arbeiten nicht komplett in Eigenregie durchführen, denn der Fachmann erweist sich als mitunter unzuverlässig und verursacht zeitliche Verzögerungen, die uns Nerven kosten.
Um so schnell wie möglich voranzukommen, nehmen wir jedoch das meiste ohnehin selbst in die Hand und am Ende sind wir mit dem Ergebnis zufrieden. Die Abwasserleitung der beiden Waschbecken und der Waschmaschine werden uns zwar noch eine Weile begleiten (Mehr dazu in unserem kommenden Bericht aus Korsika!), aber am Ende haben wir fünf neue Borddurchlässe und Ventile von TruDesign und fünf verschlossene Löcher, denen wir zwar vertrauen, die uns jedoch ebenfalls einmal mehr bestätigt haben, dass wir zukünftig solche Arbeiten gänzlich allein durchführen sollten. Wenn es richtig gut werden soll, muss man es tatsächlich selber machen!
Krantermin bei Starkwind
Am 6. Mai ist es dann schließlich soweit. Seit Tagen fiebern wir unserem Krantermin entgegen. Alle wichtigen Arbeiten auf unserer Liste sind soweit abgearbeitet und ein früherer Termin war nicht zu bekommen, weil der Andrang ins Wasser zu kommen bei allen zum Saisonstart entsprechend groß ist.
Die Wettervorhersage versursacht uns allerdings ein wenig Bauchschmerzen. Der Mistral bläst wieder erbarumungslos und es sind Böen von bis zu 28 Knoten für unseren Krantermin vorhergesagt. Die Region zählt zu den sturmreichsten Regionen der Erde und so ist das Kranen bei Starkwind für alle Arbeiter hier absolute Routine. Uns hingegen treibt der Gedanke, unsere Wanderer das aller erste Mal direkt bei Starkwind ablegen zu lassen, den Schweiß auf die Stirn. Hinzu kommt, dass der Wind unvorteilhaft für einen direkten Start unserer geplanten Reise gen Osten ist. Theoretisch dürften wir zwar nach dem zu Wasser lassen bis zu 24 Stunden am Dock liegen bleiben, doch das kleine Dock am Rande der Kranungszone ist bereits extrem überlaufen und die Boote müssen hier bereits im Päckchen nebeneinander liegen. Ähm, nein, danke.
Schließlich ist es soweit. Der Kran kommt mit 30 Minuten Verzögerung zu uns. Während das Boot in den Gurten hängt, streichen wir wie üblich die Stellen mit Antifouling, an denen die Stelzen befestigt waren. Dafür hatten wir etwas Antifouling in einem Marmeladenglas zurückgehalten. Anschließend laufen wir alle dem Kran hinterher. Eric voran als Schnellster auf seinem Laufrad bleibt dem Kran ganz dicht auf den Fersen. In den vergangenen Wochen auf dem Trockendock sind die täglichen Kranungen für ihn bereits zum alltäglichen Spektakel geworden und er spielt sie inzwischen sogar mit seinen Duplosteinen nach.
Als das Schiff ins Wasser gesenkt wird, prüfen wir wie üblich alle Borddurchlässe und auch die neu verschlossenen Löcher auf eventuelle Lecks. Immer wieder haben wir uns in den vergangenen Tagen das Horroszenario ausgemalt, dass eben doch nicht alles 100% dicht sein würde und der Kran uns wohlmöglich direkt wieder zurück auf unseren Platz im Trockendoch bringen müsste. Natürlich ist alles dicht. Beim Ablegen ist Christoph etwas zögerlich mit dem Gas. Geringe Geschwindigkeit - kleiner Schaden, große Geschwindigkeit - großer Schaden, heißt es so schön. Doch bei dem starken Seitenwind kommen wir der Mauer bedrohlich nahe und die Arbeiter haben alle Hand zu tun, uns an den Seilen rauszuführen und signalisieren uns, dass wir mehr Gas geben sollen. Am Ende passt es. Es sind vielleicht nur 50 cm, die gefehlt hätten, um die ganze Backbordseite des Rumpfs an der Steinmauer entlangzukratzen, aber es bleibt zum Glück nur ein hässlicher Gedankenblitz, der nicht wahr wird.
Wir verlassen die Kranungszone unbeschadet und motoren den kleinen Kanal stadteinwärts, an dem wir zuvor bereits eine Tankstelle ausgemacht haben. Natürlich ist die Tankstelle belegt und 30 Minuten lang drehen wir einfach nur Kreise bei Starkwind im Hafenbecken. Wir testen das Bugstrahlruder, machen uns mit dem Verhalten bei Rückwärtsfahrt vertraut und warten geduldig, bis die Tankstelle schließlich frei wird. Das Anlegen klappt, wir tanken knapp 200 Liter Diesel und wissen es jetzt noch nicht, aber es wird für einige Wochen das erste und letzte Anlegemanöver bleiben. Wir verbringen unsere erste Nacht in der Bucht bei Fos-su-Mer vor Anker und sind einfach nur glücklich, dass bis hier alles so wunderbar geklappt hat.