Als wir 2021 mit unseren Freunden in Tavira bei einer Pizza zusammensitzen und von unserem Plan ein Segelboot zu kaufen berichten, sagt uns William: "Du weißt eigentlich erst, was für ein Boot du brauchst, nachdem du eins gekauft hast". Als Holländer mit einem Hausboot muss er es wissen. Er sollte recht behalten. Als wir die Futura Januar 2022 in Spanien kaufen, wissen wir praktisch noch gar nichts über Boote. Doch als wir sie im Oktober 2023 wieder verkaufen, haben wir inzwischen sehr konkrete Vorstellungen davon, wie unser zukünftiges Boot aussehen soll. In diesem Artikel möchten wir euch auf unsere Reise zu unsererm neuen Boot, unserer "Wanderer" mitnehmen.
Als wir uns auf die Suche nach einem neuen Schiff begeben ist uns klar, dass es das perfekte Boot nicht geben wird. Man muss immer Kompromisse eingehen und jedes Boot auf seine persönlichen Bedürfnisse anpassen. Dennoch haben wir uns im Laufe der Zeit eine Liste an Kriterien erarbeitet, die uns besonders wichtig sind und bei denen wir möglichst wenig Kompromisse eingehen möchten. Im Folgenden gehen wir darauf ein, was uns wichtig ist und wie es unsere Suche beeinflusst hat.
Nicht zu groß, nicht zu klein
Die Futura war unser erstes Boot und immer wieder lesen wir im Vorfeld die Empfehlung: "Kaufen Sie das kleinste Boot, dass für Ihre Bedürfnisse ausreicht". Das klingt logisch, denn als Anfänger ist ein kleines Boot einfacher zu handhaben und auch günstiger in der Anschaffung und im Unterhalt. Wir würden diese Empfehlung auch jederzeit an andere Anfänger weitergeben. Doch nachdem wir die Futura zwei Saisons gesegelt sind, haben wir zum einen eine bessere Vorstellung davon, was unsere Bedürfnisse sind (zum Beispiel Stehhöhe für Christoph) und können zum anderen besser einschätzen, welche Kosten ein größeres Boot verursacht.
Größer ist natürlich nicht automatisch besser, denn abgesehen von den höheren Kosten, ist ein größeres Boot auch schwieriger zu manövrieren und findet vielleicht auch in manch schönem Hafen oder kleiner Bucht keinen Platz mehr. Wir haben somit gezielt nach Yachten zwischen 12 und 14 Metern gesucht, die uns genügend Platz bieten, um längere Zeit darauf zu leben und uns dennoch nicht über den Kopf wachsen.
Nicht zu neu, nicht zu alt
An der Frage des Alters scheiden sich die Gemüter. Viele Langfahrtsegler schwören auf ältere Boote, die noch von Hand gebaut wurden und bei denen noch nicht an allen Enden am Material gespart wurde. Doch auch moderne Boote haben ihre Vorteile. Sie bieten in der Regel mehr Platz und Komfort und natürlich ist auch jedes Kabel, jeder Schlauch, der Motor, die Tanks usw entsprechend jünger und sollte somit auch weniger anfällig für Defekte sein.
Wir haben uns verschiedene Boote angesehen, dabei war unter anderem auch auf einer Jeanneau Sun Odyssey 42 DS, die Jeanneau 2007 erstmals auf den Markt gebracht hat. Das Raumangebot war ausgesprochen gut und Christoph hat mit seinen 194 cm Körpergröße im ganzen Boot gefühlt noch 20 cm Luft nach oben. Allerdings hat uns der Innenausbau ganz und gar nicht überzeugt. Es wirkt irgendwie billig wie ein modernes IKEA Möbelstück aus Pressspan mit einer dünnen Schicht Furnier.
Umgekehrt haben uns zu alte Boote jedoch ebenfalls nicht überzeugt, denn wie erwähnt hat sich der gesamte Schnitt über die Jahre verändert und man müsste bei einem alten Boot, schon ein deutlich längeres Boot suchen, um den gleichen Platz zu finden, den ein jüngeres Boot bietet.
Raumaufteilung
Bei unserer Suche ist die Raumaufteilung eines der wichtigsten Kriterien. Konkret hatten wir folgende Vorstellungen:
- Achtern nur eine einzige große Kabine über die gesamte Schiffsbreite, die viel Raum für ein großes Doppelbett bietet und sich etwas mehr nach Schlafzimmer als einfach nur nach Kabine anfühlt.
- Zusätzlich zum klassischen V-Bett im Bug auch noch eine weitere Kabine mit Doppelstockbetten. Doppelstockbetten sind sowohl für Kinder als auch als Staumöglichkeit sehr praktisch.
- Die Küche in L-Form neben dem Niedergang statt quer zur Schiffsbreite. Zum einen bietet ein Schiff hier die größtmögliche Stehhöhe und zum anderen blockiert man so keinen Durchgang beim Kochen oder Abwaschen.
Rollgroß
Na klar, echte Segler segeln mit einem klassischen, durchgelatteten Großsegel und überhaupt ist das Rollgroß ja nur etwas für Warmduscher. Spaß bei Seite, so mancher Segler schwört auf das klassische Großsegel und das ist auch völlig in Ordnung. Wir haben mit dem Rollgroß auf der Futura sehr gute Erfahrungen gemacht und hatten nicht ein einziges Mal das Problem, dass das Segel sich verklemmt hat, wie man hin und wieder liest. Im Gegenteil, für uns ist das Rollgroß nicht nur ein Gewinn an Komfort sondern auch an Sicherheit, denn man kann jederzeit schnell und stufenlos Segelfläche reduzieren ohne das Cockpit zu verlassen. Ein Boot ohne Rollgroß kam für uns also nicht in Frage.
Achtercockpit
Auch hier scheiden sich die Geister. Tatsächlich hätte es unsere Optionen deutlich erweitert, wenn wir auch Boote mit Centercockpit in Betracht gezogen hätten. Es gibt durchaus viele Gründe, die für ein Centercockpit sprechen. Zum einen ist man in der Bootsmitte sehr geschützt und auch den Bewegungen des Bootes weniger stark ausgesetzt. Zum anderen lässt sich das Layout mit großer Achterkabine gut realisieren und so finden sich viele Boote mit Centercockpit, die über eine große Achterkabine verfügen. Aus unserer Sicht gibt es jedoch zwei entscheidene Nachteile beim Centercockpit: Zum einen ist das Cockpit in der Regel wesentlich kleiner als ein Achtercockpit eines vergleichbar großen Bootes. Und zum anderen lassen sich aus dem Cockpit heraus die hinteren Klampen nicht erreichen, was das Anlegen und Festmachen des Bootes erschwert. Vielleicht spielt ein Centercockpit auf langen Ozeanpassagen seine Voteile aus, doch 90 % unserer Zeit verbringen wir in Ankerbuchten und Marinas und so haben wir uns bewusst gegen ein Centercockpit entschieden.
Wellenantrieb
Der letzte Punkt unserer Kernkriterien ist der Wellenantrieb. Die meisten Segelboote mit Einbaudiesel werden entweder von einem Saildrive oder einer Wellenantrieb angetrieben. Beide Antriebsarten haben ihre Vor- und Nachteile. Ein Saildrive punktet beim Manövrieren und ist vor allem für die Werft einfacher zu verbauen. Ein Wellenantrieb hingegen punktet durch seine Einfachheit und Robustheit. Bei einem Wellenantrieb wird eine Metallstange, die Welle, durch das Schiff nach außen geführt und treibt dort am Ende den Propeller an. Entsprechend handelt es sich um eine relativ simple Konstruktion mit einem Borddurchlass mit geringem Durchmesser, der durch eine Dichtung wasserdicht gehalten wird.
Ein Saildrive hingegen ist eine komplexere Konstruktion, die einen wesentlich größeren Borddurchlass benötigt, welcher von einer medizinballgroßen Gummimanschette wasserdicht gehalten wird. Das ganze System ist wesentlich wartungsintensiver was insbesondere auf Langfahrt an abgelegenen Orten ein Problem darstellen kann. Für weitere Details empfehlen wir den Artikel von Bobby Schenk "Saildrive oder feste Wellenanlage auf Langfahrten". Hinzu kommt aber auch, dass unsere Futura ebenfalls von einer Welle angetrieben wurde und wir somit bereits Erfahrung mit dieser Antriebsart haben. Wir haben die Futura damals ziemlich blind und ohne jegliches Vorwissen gekauft und vielleicht würden wir heute ganz anders denken, wenn wir damals ein Boot mit Saildrive gekauft hätten. Doch so haben wir uns bewusst gegen ein Boot mit Saildrive entschieden.
Die Suche
Nachdem wir unsere Hauptkriterien klar definiert haben, versuchen wir zunächst einmal die verschiedensten Bootstypen zu ermitteln, die in dieses Raster passen. Eine Vorgehensweise, die sich für uns bewährt hat ist es die Seite sailboatdata nach Herstellern und Bootslänge zu filtern um dann die entsprechenden Boote genauer zu recherchieren. Tatsächlich finden wir aber nur wenige Modelle, die wirklich zu unseren Kriterien passen nämlich:
- Grand Soleil 42 oder 43
- Elan Impression 434
- Jeanneau Sun Odyssey 43 DS
- Bavaria 390 oder 430 Lagoon
Bereits im November schaut sich Christoph eine top ausgestattete Bavaria 390 Lagoon in Dänemark an. Wir müssen aber leider feststellen, dass wir mit diesem Schiff nicht wirklich viel an Stehhöhe gewinnen würden. Das wäre vielleicht bei der 430 Lagoon bereits etwas besser doch wurde die Reihe bereits in den frühen 90er Jahren gebaut und ist uns daher eigentlich bereits zu alt.
Tatsächlich haben wir bereits relativ früh einen heimlichen Favoriten: die Jeanneau Sun Odyssey 43 DS. Die Reihe wurde von 1994 bis 2006 gebaut und somit noch in einem handwerklicheren Stil, den wir als hochwertig empfinden. Dennoch sind jüngere Boote aus den 2000er Jahren am Markt verfügbar. Wir haben zu diesem Zeitpunkt auf allen gängigen Bootsbörsen automatische Suchaufträge für unsere Kriterien eingerichtet und bekommen so schnell mit, sollte ein passendes Boot auf den europäischen Markt kommen. Doch es ist nicht so einfach, entweder hat das Boot nicht das Kabinenlayout, das wir suchen oder kein Rollgroß oder kein Wellenantrieb, wobei wir an dem Punkt vermutlich am ehesten bereit gewesen wären, Kompromisse einzugehen.
Im Dezember kommt schließlich eine Sun Odyssey 43 DS bei Marseille in Frankreich auf den Markt, die unsere Augen aufleuchten lässt. Es erfüllt alle unsere Kriterien und man sieht sofort, dass es ein Langfahrer Boot ist. Viele kleine Details auf den Bildern verraten uns, dass es kein Charterboot ist, sondern dass hier die Eigner wirklich auf ihrem Boot gelebt haben.
Das Boot ist über einen Makler inseriert doch wir möchten versuchen einen direkten Kontakt zum Eigner herzustellen. Am einfachsten geht das über den Bootsnamen, der sich auf einem der Bilder findet und den wir schließlich auf noforeignland finden und kontaktieren. Zum einen erhalten wir so die Möglichkeit den Eigner direkt mit unseren Fragen zu löchern und weitere Bilder anzufragen und zum anderen sparen wir uns im Falle eines Kaufs die Maklerprovision, die das Boot unnötig verteuern würde.
Im Januar ist es dann soweit und Christoph fliegt nach Marseille um das Boot zu besichtigen. Wir haben zu diesem Zeitpunkt noch nie eine SO 43 DS von innen gesehen und sind entsprechend gespannt auf das Urteil vor Ort. Christoph ist begeistert, es ist das Boot, das wir suchen. Das Boot wirkt überaus gut gepflegt und tatsächlich haben die Eigner die letzten neun Jahre ausschließlich auf dem Boot gelebt und es entsprechend gut gepflegt. Zu diesem Zeitpunkt ist das Boot mit 139k EUR inseriert und wir möchten in jedem Fall ein Gutachten erstellen lassen, bevor wir ein Angebot abgeben. Eine lokale Gutachterin, die auch gutes Englisch spricht, ist schnell gefunden doch ein Termin ist nicht vor Ende Februar zu bekommen. Genug Zeit um zähe Verhandlungen mit dem Eigner zu führen, denn der Preis muss sich zunächst signifikant bewegen, bevor es für uns überhaupt Sinn macht das Gutachten erstellen zu lassen.
Das Glück der Mutigen
Anfang Februar ist es soweit. Wir haben uns mit dem Verkäufer auf einen Preis geeinigt, den wir akzeptieren können sofern die Gutachterin grünes Licht gibt. Christoph beschließt die 1700 km von Tavira nach Marseille mit dem Camper zu fahren und bereits etliches unserer Bootsausrüstung mitzunehmen. Er ist aufgeregt, es ist für uns viel Geld und zudem ein großes Boot mit dem wir uns zunächst wieder vertraut machen müssen und in dessen Herausforderungen wir wieder einmal neu hineinwachsen müssen. Doch gleichzeitig lockt die Abenteuerlust und die Aussicht auf eine nahezu grenzenlose Freiheit. Mit diesem Boot können wir die Welt bereisen. Ob Korsika, Sardinien, Elba, die Karibik oder Kanada, mit diesem Schiff können wir all die Orte bereisen, die uns reizen und zwar mit dem Raum und Komfort, den wir uns wünschen.
Das Gutachten fällt sehr positiv aus. Natürlich gibt es kleinere Mängel, wie bei jedem Boot, aber nichts was einem Kauf im Wege stehen würde. Und so kaufen wir Ende Februar unser Traumboot das von nun an unter dem Namen "Wanderer" durch die Weltmeere segeln wird. Jetzt heißt es erstmal Ärmel hochkrempeln für das anstehende Refit auf das wir euch im nächsten Artikel mitnehmen werden.